Beurteilung
Emilio Salgari trägt den Beinamen der italienische Karl May . Neben seinem Erfolg – er gehört weltweit zu den meistübersetzten Schriftstellern – gibt es zumindest eine weitere Übereinstimmung mit Karl May – die Legende seiner Reisen. Sie wurde von ihm selbst in die Welt gesetzt und genährt und hat sich bis heute gehalten, so finden sich z. B. in Texten von Antiquariaten immer noch folgende Angaben dann fuhr er als einfacher Matrose zur See. Er brachte es bis zum Kapitän und lernte fast die ganze Welt kennen . Die deutsche Grundlage für diese Legende war wohl die »Lebensbeschreibung« seines Übersetzers Prof. Wihlfahrt, die dann sicher auch für einen Artikel in der Neuen Züricher Zeitung im Jahre 1929 benutzt wurde:
… Emilio Salgari war in seiner Jugend Kapitän zur See und hatte während seiner langen Reisen Gelegenheit, fremde Erdteile nicht nur zu suchen und äußerlich kennenzulernen, sondern sie zu erleben und sich in ihre Seele zutiefst einzuführen. …
Tatsache ist, dass er von 1878 bis 1881 am Königlich Nautischen Institut in Venedig studierte, um Kapitän zu werden, dass er bei der ersten Prüfung durchgefallen und zum zweiten Termin nicht mehr erschienen ist. Stattdessen heuerte er als Schiffsjunge an Bord der Italia Una an, verließ in Brindisi das Schiff und fuhr mit der Eisenbahn zurück nach Verona. Soweit bekannt ist, hat er Italien nie verlassen.
Emilio Salgari produzierte in 28 Jahren ein Werk von über 90 Romanen und Erzählungen. In elf Romanen ist Sandokan, seine bekannteste Figur der Held (ein indischer Fürstensohn, der sich an den Engländern rächen will, weil diese seine Familie ausgerottet haben). In dem ständigen Begleiter Sandokans, dem Portugiesen und Kettenraucher Yanez, hat Salgari sich selbst dargestellt.
Drei Romane haben den Schwarzen Korsaren, den ein ähnliches Schicksal wie Sandokan umtreibt, als Hauptfigur. Drei Romane bilden den Bermuda-Zyklus , sieben spielen in den kalten Gefilden der Arktis und Antarktis, sieben im Far West , weitere in allen anderen Weltteilen und einige in der Vergangenheit.
So groß sein Erfolg in Italien aber auch war, so wenig konnte er sich in Deutschland (oder überhaupt außerhalb der romanischen Länder) durchsetzen. Nur fünf seiner Titel wurden zeitnah ins Deutsche übersetzt.
Außerhalb Italiens bekannt geworden ist er vor allem durch die zahllosen Verfilmungen seiner Romane. Als Darsteller haben unter vielen anderen Lex Barker, Senta Berger, Klaus Kinski, Pierre Brasseur, Daniel Gélin, Richard Harrison und Kabir Bedi mitgewirkt.
Die Neue Züricher Zeitung schreibt 1929 über sein Werk:
… Es ist nicht bekannt, wann er die Berufung zum schöpferischen Ausdruck empfand und in die Tat umsetzte: Schriftstellerische Versuche und Talentproben kennt man von Salgari nicht. Plötzlich stand er da, mit einem reifen Werk, und von Jahr zu Jahr wuchs dieses Werk in steter Folge an. Neunzig Abenteuerromane, die durchaus gleichwertig auf derselben schriftstellerischen Höhe stehen und über die landläufige Schilderungskunst weit hausragen und deren Auflagen man nicht zählen kann, sind von ihm im italienischen Buchhandel erschienen. Sein Gesamtwert ist der Mythos des abenteuerlichen Erlebens, der romantischen Wanderfahrten in die weite Welt, der Mythos jugendlich-naturhafter Kampfesfreude, frischen Draufgängertums, fröhlicher Erkenntnis. Er erschließt dem jugendlichen Blick und Herzen jene Paradieseswelt der Instinkte, in der die Leidenschaften noch nicht erwacht sind, eine unvergleichliche Welt des Überschwangs, der Phantasie und der männlichen Gefühle, mag er nun den Leser auf alten Spuren in den Wilden Westen führen, ihm die Mysterien des Wunderlandes Indien weisen, oder neue Wege bahnen in die Antarktis und zu den Exoten. Von der älteren Schule der Jugendschriftsteller unterscheidet er sich darin, daß er nicht, wie zum Beispiel Jules Verne, die im Instrumentalen, also in der Erfindung beschlossene Abenteuerlichkeit und Erlebnisfülle zum literarischen Ausdruck bringt, sondern nur das Entdeckerische gestaltet, die Sehnsucht nach dem Unbekannten und der Ferne, den Rausch des Fremdländischen, Geheimnisvollen und Gefährlichen. Darin ist er mit Karl May wesensverwandt, so daß man ihn als den italienischen Karl May bezeichnen könnte. |